Donnerstag, 8. März 2007

Die subversive Elite

Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn! Verstand ist stets bei wenigen nur gewesen. (Schiller)

Man muss aristokratisch sein in diesem nivellierenden Zeitalter. In meinem Beruf fällt mir das schwer, da ich meine fachliche Position mehrheitsfähig präsentieren muss und auf keinen Fall elitär wirken darf.

Ich will aber unsere ländliche Region, in der ich seit vielen Jahren tätig bin, voranbringen und attraktiv machen für eine Elite von kreativen, nachdenklichen Menschen.

Das Titelbild zeigt deutlich, wie weit ich von diesem Ziel noch entfernt bin: Unsere Stadtplanung befand sich in den entscheidenden 80er und 90er Jahren auf einem geradezu kindlichen Niveau. Es ging nur darum, jedem möglichst billig zu seinem freistehenden Einfamilienhäuschen zu verhelfen. Alle dafür in Frage kommenden Flächen wurden innerhalb weniger Jahrzehnte mit einem gestaltlosen Siedlungsbrei bedeckt.

Jetzt, wo der kurzlebige Boom vorbei ist, sitzen in diesen jämmerlichen Häuschen viele altgewordene Ureinwohner, die zum Teil seit Jahren verzweifelt einen Käufer für Ihre mit allen möglichen Baumarktprodukten verschandelte Immobilie suchen und sich wundern, dass ihnen kein Mensch auch nur ein Butterbrot dafür geben möchte. Das halbe Leben haben sie sich für etwas krummgelegt, das jetzt nichts mehr wert ist - es gab wohl niemanden, der ihnen das vorher gesagt hat.

Wenn ich ehrlich bin, kann ich mir kaum vorstellen, dass ein Mensch, der geistige Bedürfnisse hat und intellektuelle Anregung braucht, in einer solchen Region leben will. Einen Grund allerdings könnte es dafür geben: es ist äußerst billig, hier ein Haus zu kaufen und es gibt durchaus interessante Objekte, die woanders unbezahlbar wären: Jugendstilvillen in bester Stadtrandlage, Atelierhäuser direkt in der Fußgängerzone, ländliche Anwesen mit riesigen Grundstücken usw. - Als Kaufinteressent wähnt man sich im Paradiese.

Wer einen Traum verwirklichen möchte, kann dies hier tun: als Künstler mit eigenem Atelier, als Stadtbewohner in großbürgerlichem Ambiente, als Gründer einer Landkommune mit besten Voraussetzungen für die Selbstversorgung und die Direktvermarktung der Erzeugnisse des eigenen Hofes oder als Gastronom in einer touristisch erschlossenen Stadt.

Die Verwirklichung solcher Träume möchte ich unterstützen - dazu dient dieses Webtagebuch. Ich will beste Rahmenbedingungen für die Verwirklichung jedes Traumes schaffen, der unserer Region zu mehr Urbanität und engagierten Einwohnern verhilft.

Außerdem wünsche ich mir ein Netzwerk engagierter Kollegen, die ähnliches versuchen. Es gibt gute Ansätze, allerdings hat man den Eindruck, sie bleiben auf der akademischen Ebene stecken, wenn auch die vorgetragenen Ansichten sehr überzeugend wirken:

Zum Beispiel:

Lebe Deine Stadt

Suburbanisation Sucks

Denkräume e. V.

Wieviel dringt davon in die Praxis vor?

Dann gibt es noch das Beispiel eines von mir sehr geschätzen Kollegen, der in seinem Weblog zum Thema Kunst und Stadtentwicklung die besten Beiträge entfernen musste, weil irgendeinem mißgünstigen Kommunalpolitiker seine Kritik an der örtlichen Stadtentwicklung ein Dorn im Auge war. Es zeigt, wie vorsichtig man auf der offiziellen Ebene agieren muss, um überhaupt wirksam zu sein, selbst wenn man die besten Absichten hat (oder gerade dann).

Ich werde also vorsichtig und subversiv sein - ein wenig Anarchie tut manchmal richtig gut.


(Fortsetzung folgt)
QuiBono - 14. Apr, 13:06

Erstaunlich ...

... mit welchen Problemen Du Dich schon damals herumgeschlagen hast und wieviel davon immer noch aktuell ist.
Ein paar Einsichten sind in den vergangenen sieben Jahren allerdings auch gewachsen:

Wie sollte man einen Traum in einem sozialen Umfeld verwirklichen, in dem es kein positives Echo darauf gibt?

Natürlich sind die materiellen Voraussetzungen in abgelegenen Gegenden günstig, da es alle möglichen Immobilien für wenig Geld zu kaufen gibt.

Als Student hätte man von solchen Möglichkeiten geträumt. Was bleibt aber von diesen Träumen, wenn man dort, wo man sie verwrklichen kann, in ein Milieu versetzt wird, das keine noch so geringe Abweichung von seinen eng gesteckten Konventionen akzeptiert?

Es gibt wohl den einen oder anderen, der bereit wäre, Deine Träume und wie Du sie verwirklicht hast, wenigstens probeweise positiv zu sehen, aber sobald ein Dritter hizukommt, schämt er sich dessen und gibt Dich preis.

Der Mainstream ist allemal stärker und nur ganz wenigen ist es gegeben, sich ihm zu widersetzen und das Bedürfnis nach Anerkennung aufzugeben.

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Zuletzt aktualisiert: 14. Apr, 13:06

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